Die Zukunft des Eventbetriebs liegt in den Händen der Gemeindebehörden

Interview mit Herbert Seiler, Liegenschaftsmanager, armasuisse Immobilien

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Im Juli 2008 hatte Ernst Schmitter von Flugplatzinfos Gelegenheit, mit Herrn Herbert Seiler ein Gespräch über den Flugplatz Interlaken zu führen.

Planung, Umzonungen, Verkauf

Ernst Schmitter: Herr Seiler, ich schlage Ihnen vor, dass wir zuerst über die Planungssituation sprechen, also über mögliche Umzonungen und über Verkaufsabsichten von armasuisse Immobilien. Können Sie kurz schildern, was in dieser Hinsicht auf dem Flugplatz zu erwarten ist?

Herbert Seiler: Der NIRP (Nutzungs- und Infrastrukturrichtplan), der seit einigen Monaten in Kraft ist, gibt endlich die gesetzliche Grundlage für den Betrieb, der seit Jahren läuft. Die Events finden jetzt in einer dafür geschaffenen Zone statt. armasuisse Immobilien hat mit dem Grenzwachtkorps und mit der Armee (ABC) Verträge, die bis 2011 laufen und die vermutlich weiter geführt werden. Für uns und die Region ist das Grenzwachtkorps besonders interessant, weil seine Anwesenheit viele Hotelübernachtungen zur Folge hat.

Im Gegensatz zu früher will armasuisse Immobilien heute nicht mehr verkaufen. Da hat sich infolge eines Bundesratsbeschlusses von Ende 2007 etwas geändert. Allerdings sähe die Sache anders aus, wenn sich ein grosser Investor mit einem Projekt, das in die Region passt, für Teile des Geländes oder das ganze Terrain interessieren würde. Wie Sie wissen, ist eine Projektgruppe (Zusammensetzung hier) daran, im Hinblick auf mögliche Umzonungen über die Schaffung eines Entwicklungsschwerpunkts ESP oder einer Strategischen Arbeitszone SAZ nachzudenken. Da ist vieles möglich. Im Augenblick steht in unseren Vorstellungen die Schaffung eines Campus für Bildung, Technik, Wissenschaft im Vordergrund.

Zu dem allem gibt es eine Einschränkung: Bestimmungen des Hochwasserschutzes, die wir noch nicht im Detail kennen, könnten zur Folge haben, dass man auf Teilen des Geländes keine Hochbauten errichten darf.

Wie steht es mit den Vorkaufsrechten der Landwirte im Falle von Umzonungen?

Wenn armasuisse Immobilien heute verkaufen wollte, wäre das Gesetz über das bäuerliche Bodenrecht massgebend, das die Vorkaufsrechte regelt. Im Falle des Flugplatzes Interlaken könnten heute aber aus verschiedenen Gründen keine Vorkaufsrechte geltend gemacht werden. Und bei einem Verkauf nach einer allfälligen Umzonung würde sich die Frage nach den Vorkaufsrechten ohnehin nicht stellen.

Hornusserfest 2012

Flugplatzinfos verfolgt besonders aufmerksam die Entwicklung im Eventbetrieb. Was sagen Sie zur Absage des Eidgenössischen Hornusserfests 2012?

Ich bin sehr enttäuscht, aus drei Gründen: Erstens hätte die Veranstaltung ausgezeichnet in die Region gepasst; zweitens wäre sie ökologisch vertretbar gewesen; und drittens hätte sie in einem Landwirtschaftsgebiet stattfinden können. Es gibt keine Bestimmung, wie viele Grossanlässe pro Jahr auf dem Areal des ehemaligen Militärflugplatzes Interlaken stattfinden dürfen.

Wären denn mehr Grossanlässe möglich?

Es würde schon gehen. Ich will die Belastung des Bodens durch grosse Events nicht verharmlosen. Aber wenn man die grosszügigen Entschädigungen, die die Landwirte bekommen, und die veränderten Rhythmen der Heuernte berücksichtigt, müsste es möglich sein. armasuisse Immobilien verlangt jeweils von den Veranstaltern, dass sie mit den Pächtern eine einvernehmliche Lösung suchen, sofern Grünfläche benutzt werden soll. Im Fall Hornusserfest 2012 gab es leider keine Einigung. Eine gute Handvoll Bewirtschafter wollten ihr Pachtland nicht zur Verfügung stellen.

Motorendominierte Veranstaltungen

Flugplatzinfos stellt fest, dass die motorendominierten Veranstaltungen auf dem Flugplatz tendenziell immer zahlreicher und grösser werden. Warum ist das so?

Das entspricht den zahlreichen Anfragen aus diesem Bereich. Es gibt eben wenige Anfragen für motorenfreie Veranstaltungen. Die dürften ruhig kommen. Wir hätten nämlich in der Agenda Platz für sie.

Wie zufrieden sind Sie persönlich mit der gegenwärtigen Situation?

Im grossen Ganzen bin ich zufrieden, und zwar nicht nur als armasuisse Immobilien-Vertreter, sondern auch als Regionalpolitiker. Verbesserungen wären natürlich möglich. Aber ich bin nicht unzufrieden.

Wie sehen Sie die Zukunft im Bereich der Veranstaltungen?

Unsere Bewilligungspraxis für Gross- und lärmimmissionsträchtige Anlässe stellt immer auf die Stellungnahmen der politischen Gemeinden ab. Die Zukunft des Eventbetriebs liegt in den Händen der Gemeindebehörden. Was sie ablehnen - und es kommt vor, dass sie etwas ablehnen -, bewilligen wir in der Regel nicht.

Sie haben bisher kein Reglement für die Bewilligung oder Ablehnung von Veranstaltungen. Aber Sie haben sicher Kriterien, an die Sie sich in Ihrer Bewilligungspraxis halten können.

Die Festlegung von Kriterien wird Aufgabe der Gruppe sein, die das neue Reglement für Veranstaltungen erarbeitet. Solange wir das Reglement nicht haben, sind die Stellungnahmen der Gemeinden bei Gross- und lärmimmissionsträchtigen Anlässen unser Hauptkriterium.

Spüren Sie Erwartungen von aussen (natürlich nicht die Erwartungen von Flugplatzinfos!)? Fühlen Sie sich manchmal unter Druck? Könnten Sie es sich überhaupt leisten, beispielsweise den ACS-Autoslalom nicht mehr zu bewilligen?

Ich kann mir diesen Fall durchaus vorstellen. Die Vermietung des Flugplatzgeländes ist nicht das Kerngeschäft von armasuisse Immobilien. Wenn die politischen Behörden dem ACS-Autoslalom die Zustimmung verweigern würden, wäre es für armasuisse Immobilien klar, dass dieser Anlass nicht mehr bewilligt werden könnte. Ich persönlich würde dies schade finden.

Was Ihre Frage nach dem Druck betrifft, so darf ich sagen, dass ich noch nie unter Druck gesetzt worden bin. Ich würde mich auch nicht unter Druck setzen lassen. Unter Zeitdruck stehe ich allerdings oft. Ungewöhnlich hoch war der Zeitdruck beim Red Bull Air Race letztes Jahr. Normalerweise braucht man für Bewilligung, Planung und Vorbereitung eines solchen Anlasses mindestens ein Jahr. Allen betroffenen Stellen standen für die Entscheidfindung nur wenige Wochen zur Verfügung. Aber dafür gab es Gründe, die wir damals noch nicht kannten: Red Bull Air Race hatte anderswo Absagen erhalten und war selber unter Zeitdruck.

Die Vorschläge von Flugplatzinfos zum Eventbetrieb

Flugplatzinfos hat im Februar 2008 vier Kriterien vorgeschlagen, nach denen Bewilligungen erteilt oder verweigert werden könnten, und zum Eventbetrieb vier Vorschläge gemacht (zum Download des Dokuments). Würden Sie mir zu jedem dieser Punkte sagen, was Sie davon halten?

Einverstanden.

Unsere vier Kriterien: 1) Wie gut lässt sich eine Veranstaltung ökologisch verantworten? 2) Wie gut passt sie in die Zeit des fortschreitenden Klimawandels? 3) Was trägt sie positiv oder negativ zum Image unserer Region bei? 4) Wie gross ist die Wertschöpfung, die sie der Region bringt?

Ich kann zusammenfassend sagen, dass armasuisse Immobilien bei der  Bewilligungspraxis mit diesen vier Kriterien leben könnte.

Unsere vier Vorschläge: Erstens: Mehr umweltschonende Anlässe statt motorendominierte. Dazu haben Sie schon Stellung genommen. Zweitens: Abschaffung des ACS-Autoslaloms.

Diese Forderung kommt nicht nur von Ihnen; sie wird auch in Tourismuskreisen diskutiert. Sollten die politischen Behörden auf diese Forderung eingehen, wäre die Zukunft des ACS-Automobilslaloms auf dem Flugplatz Interlaken gefährdet.

Drittens: Durchführung des Trucker- und Countryfestivals nur alle zwei oder drei Jahre. So gäbe es in der Agenda Platz für ökologisch sinnvollere Grossveranstaltungen.

Das ist Sache der Gemeinden. Ich bin allerdings skeptisch, weil das Truckerfestival in der Schweiz der Anlass par excellence für Lastwagenfahrer ist, und bereits seit fünfzehn Jahren zu Interlaken gehört. Die Organisatoren bemühen sich laufend darum, Verbesserungen anzubringen. Und vergessen Sie eines nicht: Auch scheinbar umweltfreundliche sportliche Grossveranstaltungen wie der Gigathlon 2007 können einen Riesentross an Motorfahrzeugen bedingen.

Viertens: Abschaffung des 2007 neu eingeführten Old Bikers Töffträffs.

Das kann man diskutieren. Wer das erreichen will, muss bei den Gemeinden ansetzen, nicht bei armasuisse Immobilien. Der volkswirtschaftliche Nutzen und die Wertschöpfung solcher Grossanlässe in der Tourismusregion Interlaken sind schwer berechenbar, aber auf keinen Fall zu unterschätzen. Man sollte nicht gegen alles sein.

Das neue Reglement für Veranstaltungen

Das kommende Reglement für den Eventbetrieb wird also Kriterien für die Bewilligungspraxis enthalten. Wer wird dieses Reglement erarbeiten?

Das neue Polizeireglement der Gemeinde Matten, das seit dem 1. Juli in Kraft ist, enthält eine Bestimmung, die den Gemeinderat dazu verpflichtet, zusammen mit den anderen Flugplatzgemeinden ein Reglement über die Nutzung des Flugplatzes Interlaken für Anlässe und Veranstaltungen zu erarbeiten. Die Gemeinde Matten wird also federführend sein. Ich werde für armasuisse Immobilien als Grundeigentümervertreter sicher in der Gruppe mitmachen. Ich persönlich begrüsse übrigens die Schaffung eines solchen Reglements mit vernünftigen, klaren Kriterien zu Gunsten unserer Tourismusregion Interlaken.


Vielen Dank für dieses Gespräch.

                                                                                     21. Juli 2008

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