Interlakens folgenschwere Wahl

RED BULL AIR RACE UND KLIMABERICHT


Das waren bewegte Tage, Anfang Februar 2007: Eben war bekannt geworden, dass die grösste Massenveranstaltung, die je auf dem Bödeli organisiert worden ist, der Red Bull Air Race, im Juli 2007 auf dem Flugplatz Interlaken stattfinden soll. Da wurde weltweit der vierte Uno-Klimabericht veröffentlicht, dessen wichtigste Botschaft lautet: Wir müssen unseren CO2-Ausstoss dringend und drastisch reduzieren. Gleichzeitig lief in den Kinos Al Gores Film über den Klimawandel "Eine unbequeme Wahrheit".


VERPASSTE WELTPREMIERE


In Interlaken hat man auf die Botschaften des Klimaberichts und des Films nicht anders reagiert als überall sonst: Man war zwar betroffen; aber angesichts der winzigen Bedeutung, die unser Handeln kurzfristig für den weltweiten Klimaschutz hat, wurde beispielsweise ein Verzicht auf den Air Race nicht einmal in Erwägung gezogen. Dabei hätten sich Veranstalter und Behörden immerhin überlegen können, ob ein Verzicht auf den Anlass, verbunden mit einer grossen Werbeaktion, Interlaken mittel- und langfristig  nicht mehr gebracht hätte als die Durchführung des Anlasses selbst. Das wäre doch eine werbewirksame Weltpremiere gewesen: Ein Tourismusort verzichtet dem Klima und unserer Zukunft zuliebe auf einen ökologisch fragwürdigen Monsteranlass!


SCHIEFES ENTWEDER-ODER


Aber für solche Gedanken kann man sich in hiesigen Tourismuskreisen offensichtlich nicht begeistern. Das weltweit praktizierte schiefe Entweder-Oder-Denken ist auch hier weit verbreitet: Entweder organisieren wir Heliflüge für erlebnishungrige VIPs, oder wir werden von der Konkurrenz überflügelt. Entweder lassen wir Feuerwerk auch auf dem Hohrugen und Quads im Ortskern zu, oder die Touristen kehren uns den Rücken. Entweder bieten wir den Leuten jedes Jahr ein neues  Massenspektakel an, oder sie besuchen Eurodisney statt Interlaken. Entweder ziehen wir den Red-Bull-Fisch an Land, oder wir verkommen zum Eingeborenenreservat.


ZUKUNFTSVERTRÄGLICHER WIRTSCHAFTEN


Leider hat Interlaken seine folgenschwere Wahl in dieser Hinsicht längst getroffen, übrigens - wie jetzt wieder im Vorfeld des Red Bull Air Race - unter Ausschluss der Oeffentlichkeit. Deshalb haben wir hier, und insbesondere auf dem Flugplatz, jährlich mehr motorlastige Anlässe, die CO2, Ozon und Feinstaub produzieren. Dabei wäre doch ein viel überzeugenderes Entweder-Oder denkbar: Entweder machen wir es weiterhin gleich wie alle anderen; oder wir machen es besser, indem wir uns für eine zukunftsverträglichere Art des Wirtschaftens entscheiden. Je früher man sich in Interlaken diesem echten Entweder-Oder stellen würde, desto leichter wäre ein Richtungswechsel zu vollziehen. Aber entweder merkt man das bei uns rechtzeitig; oder die Konkurrenz kommt uns zuvor.

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